home PLATZANGST - ein Spielfilm von Heike Schober und René Zeuner
platzangst · presse · film-dienst Nr. 7/2003

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Früher, vor 20, 30 Jahren, waren Jugendliche "links", was allerdings oft mehr einer allgemeinen Haltung als expliziten Positionen entsprach; nicht selten erschöpfte sich das politische Bewusstsein in langen Haaren und einer Latzhose. Heute sind sie mancherorts - häufig im Osten - "rechts" -, und auch hier spielen Kleidung und Outfit eine wichtige Rolle. So definieren Springerstiefel und Bomberjacke auch für den 16-jährigen Schüler Martin die Zugehörigkeit zu seinen "Kameraden", selbst wenn die Mutter gegen das schwere Schuhwerk schimpft und sein Kopf nicht kahlgeschoren wie der vieler seiner Freunde ist. Eine Handvoll Feindbilder, grölende Rituale und ein martialisches Rudelverhalten zählen zwar auch zur Grundausstattung von Martins deutsch-nationaler Peer-Group, doch der etwas genauere Blick von Heike Schobers und René Zeuners Spielfilmdebüt "Platzangst" enthüllt durchaus Widersprüchliches:

>> Martins bester Freund David kämpft mit seinen uneingestandenen Gefühlen für Männer, kollektive Saufgelage sind nicht für alle die Erfüllung ihrer Wünsche, Schlägereien durchaus etwas, was auf der Seele lastet. "Glatzen" können sogar über sich selbst lachen, wenn nicht gerade die Demonstration von Stärke alle Differenzierungen beiseite wischt.

Warum das so ist, kann "Platzangst" nicht erklären, weil der Film das Resultat eines jugendpädagogischen Experiments ist, in dem ein authentischer Stoff für die Leinwand adaptiert wurde. Co-Regisseurin Schober war einige Jahre zuvor bei einem Theaterprojekt mit Schülern einem Jungen aus der rechten Szene begegnet, der sich in ein Mädchen russischer Abstammung verliebt. Seine Freunde aber waren nicht bereit, dies zu tolerieren, sondern forderten ein Ende der Beziehung. Ein Konflikt, der tief greifende Gefühle in Frage stellte - und für Schober zum Aufhänger eines ungewöhnlichen Engagements wurde. Sie verwandelte ihre Erlebnisse und Beobachtungen in ein Skript, gewann damit die Kinder- und Jugend-Kunst-Galerie "Sonnensegel e.V." ihrer Heimatstadt Brandenburg an der Havel und setzte die Geschichte mit 250 Schülern und einem professionellen Mini-Team schließlich für die Leinwand um. Das Ergebnis überrascht: Was nach Laientheater klingt, entpuppt sich auch als ästhetisch durchaus gelungener Film, der spannend unterhält und mit einem cleveren Ende für Gesprächsstoff sorgt.

Obwohl vor der Kamera bis auf Detlev Buck und Heike Schober nur Jugendliche aus Brandenburg standen, wirkt deren Spiel überzeugend und echt, was mit einem ausgeprägten Typecasting und den spezifischen Produktionsbedingungen zusammenhängt, bei denen es mindestens ebenso um ein gesellschaftliches Anliegen - den Dialog der unterschiedlichen Jugendszenen - wie um den Film ging. Die Souveränität der jungen Hauptdarsteller vor der Kamera reicht sogar zur selbstironischen Geste in einer Szene, in der für einen Theaterauftritt geprobt wird; auf Close ups oder Schuss-Gegenschuss-Auslösungen verzichtet der Film wohlweislich. Mancher Holperer ist mehr dem mageren Budget geschuldet, aber auch erzählerisch-dramaturgischen Schwächen, die verschiedene Subplots klischeehaft erscheinen lassen oder nur unzureichend integrieren.
Doch darum geht es bei "Platzangst" nicht in erster Linie. Was der Film leistet - und vor ihm wohl auch sein Projekt -, ist die Nahaufnahme einer zu Recht übel beleumundeten Jugendszene, die hier nicht analysiert, sondern eher porträtiert wird. Was dabei hinter dem schnittig-martialischen Erscheinungsbild zum Vorschein kommt, sind Heranwachsende, die - wie zu anderen Zeiten auch - nach Identität und persönlicher Integrität suchen - wobei sie sich von den vorgefundenen Mustern zugleich abgrenzen und selektiv doch bedienen. Dass rechtsradikale Phänomene mit Verlust oder Versagen der Väter zu tun haben, sollte die gesamtdeutsche Gesellschaft vielleicht aufs Neue beschäftigen - wie auch der Mut einer Einzelnen, sich dem Zwang der gewachsenen Verhältnisse in den Weg zu stellen. "Platzangst" ist deshalb ebenso sehr ein Beispiel für Zivilcourage wie für das cineastische Vermögen, kollektive Zusammenhänge transparent zu machen.
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